Frau Wosche, Herr Krey, wie geht die LEG die Zukunft an?
Andreas Krey: Wir sind gut aufgestellt für die nächsten 30 Jahre! Basis dafür ist zu allererst das Know-how unserer Mitarbeitenden – in unserer Belegschaft finden sich verschiedenste Kompetenzen aus allen Bereichen der Wirtschaftsförderung und des Immobilienmanagements. Und das betrifft nicht nur das reine Wissen, sondern auch die vielfältigen Erfahrungen aller. Schließlich hat ein Großteil von uns verschiedenste Facetten der „Landesentwicklung“ aktiv miterlebt – inklusive rasantem Wandel, manchmal auch Brüchen. Das macht uns flexibel und anpassungsstark! Hinzu kommt flankierend auch weiterhin betriebsintern viel Engagement in puncto Weiterbildung. Auch flexible Arbeitszeitmodelle und gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen wir um. Niemand weiß, welche Herausforderungen die kommenden Jahre bringen – das haben gerade die aufwühlenden vergangenen zwei Jahre gezeigt – aber eins steht fest: Wir können Wandel, wir können Krise, wir können Herausforderungen bewältigen, und damit bleibt die LEG ein effektives Instrument der Landesregierung auch in der Zukunft.
Sabine Wosche: Wir wollen uns das erhalten, was uns die vergangenen Jahrzehnte ausgezeichnet hat: Einerseits sind wir in der Lage, bei plötzlich auftretenden Problemen sehr schnell Lösungen zu finden und umzusetzen. Andererseits sind wir auch die „Scouts“, die frühzeitig langfristige Trends erkennen, strategisch denken und handeln und so die Zukunft des Freistaats mitgestalten. Mit unserer Vielseitigkeit und Flexibilität können wir in diesem Sinne auch wirklich komplexe Vorhaben bewältigen. Mehr denn je kommen heute bei Projekten der Wirtschaftsförderung, der Stadt- und Regionalentwicklung sowie des Immobilienmanagements ganz viele Aspekte zum Tragen – es geht um Wirtschaftlichkeit, neue Technologien, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, dynamische gesellschaftliche Entwicklungen. Ziele sind zum Beispiel die Aufwertung des ländlichen Raums, die Beseitigung städtebaulicher Missstände, die Ansiedlung moderner Produktion und Technologie, länderübergreifende Zusammenarbeit.
Wie gestaltet sich diese vielfältige Herausforderung von morgen? Welche aktuellen Aktivitäten stehen schon heute beispielhaft für unser Wirken in der Zukunft?
Andreas Krey: Nehmen wir das große Feld der Standortentwicklung und Unternehmensansiedlungen. Das wird ein eminent wichtiges Aufgabefeld bleiben. Und die jüngsten Entwicklungen im Freistaat, aber auch in anderen neuen Bundesländern haben gezeigt: Hier steckt unglaublich viel Dynamik drin, und hier müssen wir auch über den Tellerrand schauen, Grenzen überwinden. CATL siedelt sich bei uns an, baut als Weltmarktführer für die Zukunftstechnologie der Batteriezellen seine erste Fabrik außerhalb Chinas bei uns – und das war erst der Auftakt. Tesla kommt nach Brandenburg, Intel nach Sachsen-Anhalt, Bosch investiert in Größenordnungen beim sächsischen Nachbarn: Wir und die gesamte Region erweisen uns als attraktiv. Vieles läuft dabei über die Fläche – wir haben mit dem „Erfurter Kreuz“ ein Angebot geschaffen, entwickeln künftig weitere Großstandorte unter anderem bei Artern, Hermsdorf, Hörselgau. Vieles läuft auch über professionelle Ansiedlungsbetreuung – Investoren profitieren von unserem Full Service, den wir ständig an neue Anforderungen anpassen. Was künftig ebenfalls wichtiger wird, sind die Technologiepotentiale, man denke an die Thüringer Innovationsstrategie, an der wir entscheidend mitwirken, an unsere Hochschulen, Forschungsinstitute, das neue Batterie-Innovations- und Technologie-Center (BITC) am „Erfurter Kreuz“. Und gerade dies verweist darauf, dass wir in Zukunft noch viel mehr über Ländergrenzen hinaussehen und –agieren müssen: Die genannten Großinvestoren sehen die ganze Region von Berlin bis Erfurt als eine Region, greifen auch auf Technologiepartner und Zulieferer in angrenzenden Ländern zurück, auch die Beschäftigten überqueren die Grenzen.
Sabine Wosche: Fachkräfte ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um Zukunftsfähigkeit geht: Mit unserer Thüringer Agentur Für Fachkräftegewinnung (ThAFF) sind wir seit über zehn Jahren aktiv, um Unternehmen bei der Deckung ihres Fachkräftebedarfs zu unterstützen. Fachleute sagen, das wird die Zukunftsaufgabe der nächsten Jahre, wenn wir Wachstum und Wohlstand erhalten wollen. Und auch hier geht es um die Erweiterung des Horizonts: Nur allein aus unserer eigenen Thüringer Bevölkerung werden wir die Fachkräfte, die künftig gebraucht werden, nicht gewinnen können. Die ThAFF hat daher zuletzt ihre Aktivitäten zur Ansprache internationaler Fachkräfte deutlich ausgebaut. Wir unterstützen beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz, wir leisten Beiträge bei den aktuellen vielfältigen Bemühungen, Menschen auch aus Nicht-EU-Ländern einen Weg in den Thüringer Arbeitsmarkt zu ebnen.
Internationalisierung ist neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit einer der Begriffe, der immer wieder fällt, wenn es um Wirtschafts- und Strukturpolitik der Zukunft geht…
Andreas Krey: Wir sind sehr aktiv im internationalen Geschäft, sowohl bei der Ansiedlung von Investoren als auch bei den Außenwirtschaftsaktivitäten mit der Erschließung neuer Märkte, der Präsenz auf Messen weltweit und der Exportförderung. Und das wird in Zukunft nicht weniger, eher im Gegenteil. Auch wenn manche die Globalisierung auf dem Rückzug sehen, teile ich diese Meinung überhaupt nicht. Auch künftig kommt keiner an der globalen Verflechtung vorbei, ohne globale Kooperation wird es keine neuen Technologien geben, kein Unternehmen und auch keine Volkswirtschaft, auch nicht die EU kann allein agieren. Ähnlich unverzichtbar und relevant ist das große Feld der Digitalisierung: Beispielsweise benötigen die Unternehmen in diesem Bereich zunehmend Begleitung, Unterstützung. Wir helfen ja nicht nur bei der Ansiedlung, sondern in jüngster Zeit und in Zukunft noch mehr auch bei verschiedensten Fragen der Unternehmensentwicklung, und da können wir bei vielen drängenden Fragen unterstützen: Was braucht eine Smart Factory, welche Schnittstellen hat eine digitale Fabrik, wie klappt die digitale Vernetzung mit Technologiepartnern, Zulieferern, Kunden?
Sabine Wosche: Was für die Wirtschaftstreibenden gilt, trifft auch auf die kommunalen Verantwortlichen zu – nicht nur Fabriken werden künftig „smart“, auch ganze Städte entwickeln sich zur „Smart City“. Seit den ersten Jahren der LEG unterstützen wir Kommunen bei der regionalen Kooperation, das tun wir weiterhin, zum Beispiel im Rahmen integrierter Regionalentwicklung im Städtedreieck am Saalebogen oder im Altenburger Land. Und wir sind seit jeher als Stadtsanierer tätig, entwickeln strategische Konzepte zur Aufwertung der Kerne. Komplexe Quartierssanierung haben wir erfolgreich durchgeführt beispielsweise im Erfurter Stadtteil Brühl – eine Industriebrache wurde zum neuen Stadtviertel. In die Zukunft weisen die Aktivitäten rund um den Erfurter Hauptbahnhof: die ICE-City Ost und das Bahnhallenquartier. Da müssen wir künftig Antworten geben auf Fragen wie: Auf welche Weise möchten Menschen morgen wohnen und arbeiten? Wie bewegen sie sich in ihrem Quartier? Brauchen sie noch große Büroeinheiten oder geht es eher darum, die neue Arbeitswelt mit einem Mehr an Homeoffice auch städtebaulich zu flankieren? Wie „smart“ wird das Quartier, welche digitalen Anwendungen erhöhen die Lebensqualität? Zugleich ist eine wesentliche Zukunftsaufgabe die Aufwertung des ländlichen Raums – hier lebt der überwiegende Großteil der Thüringer Bevölkerung! Hier gilt es, regionale Akteure an einen Tisch zu holen, Investoren zu finden, Fördermöglichkeiten zu ermitteln, strategische Konzepte zu erarbeiten – wir sind hier beispielsweise gerade bei der Revitalisierung der alten Strumpffabrik in Diedorf im Unstrut-Hainich-Kreis tätig – ein Projekt mit Zukunft, und eine Blaupause für weitere ähnliche Vorhaben.
Revitalisierung von einstmals genutzten Flächen – das verweist auf das Anliegen, bei der Entwicklung des Landes Nachhaltigkeit großen Raum zu geben…
Sabine Wosche: Absolut, das wird in Zukunft immer relevanter. Wir sind ja auch Wohnungsunternehmen, und die Sanierung im Bestand wird eine wichtige Aufgabe sein, wir werden in den Bestand investieren. Und wenn wir neu bauen, dann auf klimaschonende Weise, mit nachhaltigen Baustoffen – so errichten wir in der Polizeischule Meiningen aktuell ein Gebäude in Holzhybrid-Bauweise – unter der Maßgabe der Wiederverwendung von Baustoffen, unter Schonung von Ressourcen. Wenn wir Bauland entwickeln – auch eine Kernaufgabe seit Jahrzehnten, die wir fortführen, geht es verstärkt darum, Versiegelung zu vermeiden – Diedorf ist ein Beispiel, dort entstehen auch Wohnungen. Ein weiteres Beispiel ist Apolda, wo wir in Bahnhofsnähe auf einem ehemaligen Industrieareal ein Wohngebiet entwickeln. Vorhandenes Know-how kombiniert mit der zukunftsgewandten Sicht nach vorn, der ideenreichen Suche nach zeitgemäßen Wegen für das Heute und das Morgen – das wird weiter Kern unserer Unternehmenskultur sein.
Andreas Krey: Tatsächlich ist Flächenrecycling eine Kompetenz unseres Unternehmens, die quasi zu unserer DNA gehört, und ein gutes Beispiel für Zukunftsfähigkeit auf fundierter Grundlage – hier greifen wir wie bei so vielen Themen auf unsere reichhaltige Erfahrung zurück und können auf dieser Basis neue Lösungen entwickeln, die zugeschnitten sind auf die aktuellen Herausforderungen der Zwanzigerjahre. Gerade zuletzt haben wir unser eigenes methodisches Repertoire dafür kraftvoll erweitert – mit neuen digitalen LEG-Tools, mit dem Ausbau unseres Veranstaltungs- und Konferenzbereichs COMCENTER Brühl inklusive dem DenkDeck – einem Ort für den kreativen, ergebnisoffenen Austausch. Was die Zukunft bringt, kann niemand exakt vorhersagen, das hat gerade die jüngste Vergangenheit deutlich gemacht. Wir haben aber die Weichen gestellt, um bestmöglich, mit vielfältiger Kompetenz und krisenerprobter Flexibilität auch künftig erfolgreich zum Nutzen Thüringens arbeiten zu können.